Willkürliches Urteil als Grundrechtsverstoß
Ein Grundrechtsverstoß liegt beispielsweise dann vor, wenn die Entscheidung eines Strafgerichts willkürlich ist und deshalb den in Artikel 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Doch hier ist Vorsicht geboten – längst nicht jede Entscheidung, die von den Betroffenen als unfair oder ungerecht empfunden oder als Fehlinterpretation geltenden Rechts erscheint, stellt einen solchen Verstoß gegen den verfassungsmäßig gebotenen Gleichheitsgrundsatz dar.
Und nicht immer steht der Weg nach Karlsruhe offen.
Verfassungsbeschwerden sind an Voraussetzungen gebunden
- Eine Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn alle zulässigen Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Beim zuständigen Gericht muss vorher, soweit irgend zulässig, Beschwerde erhoben, Berufung oder Revision oder sonst ein Rechtsmittel, Rechtsbehelf oder Rüge eingelegt worden sein. (Schon die Überprüfung dieser Frage erfordert einen Rechtsanwalt, der sich im Verfassungsrecht und Prozessrecht genau auskennt. In Strafsachen ist ein Fachanwalt für Strafrecht hierfür besonders geeignet.)
- Es gilt eine Frist: Die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil muss innerhalb eines Monats eingehen – und zwar mit einer Begründung, die detailliert und stichhaltig darlegt, worin die Verletzung des Grundrechts oder der Grundrechte besteht, warum dies eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Entscheidung erfordert und inwiefern die beschwerdeführende Person durch die Verletzung ihrer Grundrechte einen besonderen Nachteil erleidet.
Die Wahrheit: Verfassungsbeschwerden erfordern einen fachkundigen Rechtsanwalt
Die Verfassungsbeschwerde als Instrument, mit dem sich auch der einfache Bürger gegen die Verletzung seiner Grundrechte wehren kann, und noch dazu kostenlos – das klingt sehr gut: nach einem direkten Weg, um eine willkürlich getroffene Gerichtsentscheidung aus dem Weg zu räumen. In Wirklichkeit haben jedoch sehr viele Verfassungsbeschwerden keinen Erfolg – sie gelangen nicht einmal bis vor die Augen der Verfassungsrichter.
Sind die formellen Anforderungen erfüllt, stellt das Annahmeverfahren in der Praxis die größte Hürde dar. Nur eine kleine einstellige Prozentzahl aller Verfassungsbeschwerden schafft es, sie zu überwinden. Formell entscheiden drei Richter über die Annahme der Beschwerde zur Entscheidung (die dann noch immer negativ ausfallen kann, wohlgemerkt). Ihren Beschluss müssen sie nicht begründen, und es gibt keine Rechtsmittel dagegen.
Deshalb ist die Begründung der Verfassungsbeschwerde sehr wichtig: Es muss klar und unmissverständlich sowie juristisch zutreffend zum Ausdruck gebracht werden, worin die Grundrechtsverletzung besteht – ohne einen kompetenten Rechtsanwalt für Verfassungsrecht ist das kaum zu schaffen.
Außerdem prüfen die Verfassungsrichter Urteile auch nur in Bezug auf die Grundrechte – mit einfachem Recht jenseits des Verfassungsrechts setzt sich das Bundesverfassungsgericht nur ganz ausnahmsweise auseinander. Das bedeutet: Selbst wenn die Verfassungsbeschwerde erfolgreich sein sollte, erfasst sie immer nur den Teil eines Urteils, in dem der Grundrechtsverstoß zum Tragen kommt. Wenn die Entscheidung weitere rechtliche Mängel aufweist, werden diese vor dem Bundesverfassungsgericht nicht zum Thema.
Bundesverfassungsgericht – und weiter?
In bestimmten, seltenen Fällen endet der Rechtsweg nicht vor dem Bundesverfassungsgericht. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht nicht weiterhelfen kann, steht dann unter gewissen Voraussetzungen der Weg für eine Individualbeschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen.